Bonn / Gustav Stresemann Institut
27. – 29. Oktober 2014
Was für ein böses Wort: Der Pädagoge gibt nicht auf, er bleibt dran, denn es ist schließlich - seine Aufgabe.
Was zunächst nach reiner Wortspielerei aussieht, hat einen tieferen Sinn. Da ist auf der einen Seite der Klient, der Kunde unserer Arbeit mit all seinen Diagnosen und Problemen. Er steht uns gegenüber und wir sollen helfen. Will er das selbst und gibt uns diese Aufgabe? Oder hat er vielleicht schon aufgegeben? Ist er gar zum Opfer all der Be- und Zuschreibungen geworden, die die zahlreichen Instanzen, die er durchlaufen musste, bis er zu uns kommen konnte, über ihm abgeladen haben? Wir, die Fachkräfte stürzen uns auf diese Aufgabe, denn aufgeben kommt nicht in Frage. Keiner wird zurückgelassen, das ist der ungeschriebene Ehrenkodex unserer Profession. Wir bemühen uns mit all unseren Kräften, versuchen, eine tragfähige Beziehung aufzubauen, um dem Individuum seine Würde zurückzugeben und ihm ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen.
Eine wahre Herkulesaufgabe in einer Gesellschaft, in der die Stigmatisierung des Andersartigen leider nach wie vor kein Fremdwort ist. Und wir bleiben auch dann dran, wenn alle anderen längst aufgegeben haben, wenn alle anderen sagen, es hätte eh keinen Sinn, da wäre nichts zu machen. „Wegsperren“ wäre doch der einzige Weg. Nein, sagen wir, das bedeutete aufzugeben und das könnten wir nicht verantworten. Jedenfalls nicht in diesem Fall, bei diesem Menschen.
Und wir? Wir Mitarbeiter? Was bedeutet es eigentlich für uns, wenn wir uns jeden Tag unserer selbstgewählten Aufgabe stellen, die eigentlich „unlösbaren Fälle“ anzugehen und auch den Menschen eine Beziehung anzubieten, bei denen nach Auffassung der anderen Professionen dies eigentlich unmöglich ist. „Bewahrfälle“, so wurde das genannt noch vor wenigen Jahrzehnten. Aber der Heilerziehungspfleger war immer dran, auch und gerade an diesen Fällen, denn das war schließlich seine Aufgabe. Was bedeutet das also für uns, für uns als Fachkraft aber genauso auch als Mensch, wenn wir uns permanent solchen Aufgaben unterziehen, permanent „durchs Feuer gehen“. Wachsen wir an unseren Aufgaben - oder geben wir auf?
Wir alle sind jeden Tag mit diesen Fragen konfrontiert und müssen Antworten finden: Für unsere Kunden, ihre Angehörigen, die anderen Professionen, unsere Leitungen und nicht zuletzt - für uns selbst. Wir haben uns daher entschlossen, auf unserer nächsten Fachtagung einen eigentlichen Dauerbrenner erneut zu thematisieren, allerdings unter einem Wechsel des Blickwinkels. Indem wir uns dialogisch mit unserem Gegenüber, und damit unserer Aufgabe, auseinandersetzen, wollen wir Antworten finden, die es uns ermöglichen, adäquater, besser und damit letztlich befriedigender mit den Problemen umzugehen, die sich aus dem Konflikt „geistige Behinderung und psychische Erkrankung“ ergeben. Insofern sind die Streichhölzer als Motiv auch leitend für unsere Fachtagung. Ja, wir sehen die gebrochene Existenz unseres Gegenübers, das Ducken gegenüber den vermeintlich Starken. Wir sehen aber auch das Ausbrechen aus der Masse, das Schwimmen gegen den Strom, was Individualität erst möglich macht. Und genauso sehen wir darin auch den Mitarbeiter, der zerbrochen ist an seiner Aufgabe, sich selbst aufgegeben hat. Wir sehen aber auch den Mitarbeiter, der den Mut hat, aus der Uniformität der Masse auszubrechen, eigene Wege zu gehen, um seinem Gegenüber genau dies zu ermöglichen. Er kann nicht anders, denn es ist schließlich seine Aufgabe!
Prof. Dr. Pia Bienstein (Eingangsreferat)
„Psychische Störungen von Menschen mit geistiger Behinderung – Verantwortungsvolles Handeln in der Heilerziehungspflege“
Lothar Sandvoß
„Und bist du nicht willig, dann brauche ich…?! – Zum konstruktiven Umgang mit verhaltensoriginellen Menschen“
Ingrid Elger / Jacques Heijkoop
„Anders Hinsehen - Einblicke in die Arbeit mit der Methode Heijkoop“
Thomas Hammer
„Die Betreuung sogenannter „Junger Wilder“ – eine besondere Herausforderung!“
Siegfried Gell
„Deeskalationstraining – WIE begegnen WIR gewaltbereiten Klienten“
Prof. Dr. Klaus Hennicke (Abschlussreferat)
„Psychische Störungen bei Menschen mit Intelligenzminderung - Bloße Erfindung oder bedrückende Wirklichkeit?"
Sie konnten nicht dabei sein? Ausführliche Informationen zu den Vorträgen und Workshops unserer 9. bundesweiten Fachtagung finden Sie in den HEP-Informationen 4/14. Diese erscheint im Dezember 2014 und kann ganz einfach als Einzelexemplar (soweit noch vorhanden) in der Bundesgeschäftsstelle aber auch als Abo hier bestellt werden. Alle Mitglieder und Teilnehmer der Tagung erhalten diese Ausgabe selbstverständlich automatisch.